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Von einem, der auszog, sich seine Zukunft zu erobern

Aus Scheraro im Norden Äthiopiens bis an die TU München war es ein weiter Weg. Der 34-jährige Habtom Kahsay Gidey hat ihn bewältigt. Seit 2012 studiert er hier im Masterstudiengang Informatik, seit Februar 2014 ist er Deutschlandstipendiat.

Aus Scheraro im Norden Äthiopiens bis an die Technische Universität München (TUM) war es ein weiter Weg. Der 34-jährige Habtom Kahsay Gidey hat ihn bewältigt. Seit 2012 studiert er hier im Masterstudiengang Informatik, seit Februar 2014 ist er Deutschlandstipendiat.

Habtom Kahsay Gidey sitzt auf der Eingangstreppe der Technischen Universität in der Münchener Arcisstraße 21 und strahlt. Er fühle sich schon fast wie zu Hause auf dem Campus, sagt er. Mit dem Informatikstudium an der deutschen Exzellenzuniversität erfüllt er sich einen großen Traum. Jahrelang hat er dafür gespart. Vor zwei Jahren ist der 34-Jährige aus Mekelle nach München gekommen. Mekelle, die Hauptstadt der Tigrayregion, liegt im Norden Äthiopiens, 500 Kilometer von Addis Abeba entfernt. Ein weiter Weg. Dabei hatte der in Scheraro geborene Sohn einer Kleinhändlerfamilie bis zu seinem Bachelorabschluss an der Mekelle University längst eine regelrechte Odyssee hinter sich. Elf Jahre alt war Habtom Kahsay Gidey, als in Äthiopien 1991 endlich der Bürgerkrieg zu Ende war. Seit dem Militärputsch 1974 hatten Gewalt, Willkür, Flucht und Vertreibung das Leben vieler Äthiopier bestimmt. „Meine Eltern, meine Geschwister und ich mussten ständig weiterziehen und uns immer wieder vor bewaffneten Rebellen in Sicherheit bringen. An Schule war oft gar nicht zu denken.“

„In der Technik liegt die Zukunft!“
Dass er es dem Bürgerkrieg zum Trotz bis ins College geschafft hat, verdankt er dem starken Willen seiner Eltern, erzählt er. „Weder mein Vater noch meine Mutter haben je eine Schule besuchen können. Aber Bildung war für beide ein hohes Gut. Dafür, dass wir Kinder die Schule besuchen konnten, haben sie buchstäblich alles gegeben.“ Viel Disziplin war in der sechsköpfigen Familie gefragt, auch bei den Kindern. Schon als Jugendlicher hat Habtom Kahsay Gidey neben der Schule gearbeitet, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Und immer schon hat ihn alles Technische magisch angezogen. „Mein Vater hat mich dazu ermuntert. ‚In der Technik liegt die Zukunft’, hat er immer gesagt, ‚da hast du die besten beruflichen Perspektiven.’“

Abends in die Vorlesung und tagsüber in die Fabrik
Fertigungsmechaniker ist Habtom Kahsay Gidey nach der Schule zuerst geworden. Seine Ausbildung hat er am Technischen College absolviert. Seit er dort mit 18 Jahren das erste Mal an einem Computer gearbeitet hat, übt der Umgang mit digitalen Technologien, mit Animationen und Programmier­sprachen eine große Faszination auf ihn aus. Am College hat Habtom Kahsay Gidey auch Englisch gelernt. All das hat ihm dabei geholfen, sowohl sich selbst, als auch seinem älteren Bruder das Studium zu ermöglichen. „Abends habe ich Vorlesungen besucht, tagsüber in Fabriken gearbeitet“, erzählt der Informatikstudent.

„Solche Studienbedingungen sind eine Errungenschaft“
Seinen Traum von einem Forscherdasein hat er trotzdem zielstrebig weiter verfolgt. Bei jeder Gelegenheit hat er im Internet die Studien­möglichkeiten an den international renommierten Universitäten erkundet. Schließlich wagte er den großen Schritt, sich an der Technischen Universität in München zu bewerben. „Meine ganze Familie hat mich darin bestärkt und unterstützt“, freut sich Habtom Kahsay Gidey, den der englischsprachige Studiengang an der Münchner Universität auch deshalb überzeugte, weil in Deutschland über die Semesterbeiträge hinaus keinerlei Studiengebühren bezahlt werden müssen. „Dass ein Land solche Studienbedingungen bieten kann, ist eine riesige Errungenschaft“, findet er.

„Dass man meine Fähigkeiten schätzt, gibt mir Kraft“
Zu dieser Errungenschaft zählt für ihn auch das Deutschlandstipendium. Von dem Programm erfahren hat er durch die Katholische Hochschulgemeinde, die ihm auch dabei geholfen hat, in Deutschland überhaupt erst einmal Fuß zu fassen. „Ich bin hier so freundlich willkommen geheißen worden. Das hat mir meinen Anfang in Deutschland sehr erleichtert“, schwärmt er. Seit einem Jahr arbeitet Habtom Kahsay Gidey als studentische Hilfskraft an seiner Fakultät. Für das Deutschlandstipendium hat er sich gleich beworben. „Ich war zwar unsicher, ob ich es überhaupt bekommen könnte, aber ich wollte es unbedingt versuchen, denn es bedeutet eine große finanzielle Entlastung für mich.“ Als er dann wirklich mit dem Stipendium ausgezeichnet wurde, hat ihn das vor allem mit Zuversicht erfüllt. „Dass man in Deutschland meine Fähigkeiten schätzt und dass mir mein Förderer ermöglicht, sie auszubauen, das gibt mir Kraft.“ Die kann er gut gebrauchen, genauso wie die volle Konzentration auf sein Studium. Promovieren und in die Forschung gehen, das will er unbedingt. Sein Vater wäre sicher glücklich, ihn jetzt hier zu sehen, auf der Treppe vor der TUM. Einen Moment hält er nachdenklich inne. „Meine Eltern hatten die Bildung in ihren Herzen, ich habe sie jetzt auch im Kopf“, sagt Habtom Kahsay Gidey dann. Und man merkt, dass er wirklich erfahren hat, wie sehr es auf beides ankommt.